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UFO - Strategien 1)
Helene von Oldenburg
Die ungewisse materielle Existenz von UFOs - Unidentified Flying Objects - weist auf den Grenzbereich
heutiger Realität hin. Obwohl ursprünglich ein militärischer Begriff wird heute allgemein unter
einem "UFO" ein Flugobjekt mit außerirdischen Besuchern an Bord verstanden. Mit jeder UFO-Sichtung
untrennbar verbunden, ist der Zweifel an dessen materieller Existenzform. Handelt es sich
"tatsächlich" um außerirdische Raumschiffe? Diese Frage bleibt nach über 50 Jahren moderner
"Flying Saucer" Forschung weiterhin ungeklärt. Der Begriff der "Fliegenden Untertasse" (Flying Saucer) wird erst 1947 von Kenneth Arnolds geprägt,
der am 24. Juni 1947 neun diskusförmige Objekte über den Cascade Mountains, Washington, gesehen
hatte. "Die Dinger flogen wie Untertassen, wenn man sie übers Wasser springen läßt."
Zu 97% können UFO-Beobachtungen als verursacht durch Hubschrauber, Wetterballone, Diskostrahler,
Satelliten, Meteoriten, etc. erklärt werden. 3% bleiben ungeklärt. Was nichts darüber aussagt, ob
diese 3% nicht auch eine terrestrische Ursache - inklusive beim Eintritt in die Erdatmosphäre
verglühender Meteoriten - haben oder ob es sich doch um Flugobjekte mit außerirdischen Besuchern
an Bord handelt.
Die lange Tradition von Berichten der am Himmel reisenden oder von himmlischen Orten herabsteigenden
Götter und gen Himmel auffahrender Gotteskinder entspricht dem jeweiligen Zeitgeist. Ende des
letzten Jahrhunderts wird passend zur Entwicklung von Flugmaschienen das Science-Fiction Genre
entwickelt. Der "Himmel" verändert sich bis hin zum Informationszeitalter, das die Grenzen
zwischen RL (Real Life) und VR (Virtual Reality) statt zu einer Trennung zu einem Möglichkeitsbereich
werden läßt.
Wenn die UFOs der Science-Fiction-Filme und -Literatur zu den UFO-Sichtungen geführt haben, was für
Möglichkeiten der UFO-Realisierung bieten sich dann über die neuen Medien und Technologien? Wann wird
dem Flugsimulator der UFO-Simulator folgen? Und wird er mit Direkteinspielung von Bilddaten ins
Gehirn und elektronisch induzierten Intelligenz- und Persöhnlichkeits-Updates arbeiten?
Unstrittig ist, daß UFOs als Augenzeugenberichte, Medienspektakel, Entführungserlebnisse,
Abbildungen, als Haupt- und Nebenfiguren in Science-Fiction Filmen und Literatur, als Werbeträger
usw. existieren.
Könnte es sich bei dem ganzen UFO-Umfeld um den Versuch handeln, etwas bisher nicht Begreifliches,
aber schon vorhandenes Neues, für das es bisher kein Bild und keinen Begriff gibt, zu visualisieren?
Dann wäre die Gestalt der "Fliegenden Untertasse" mit extraterrestrischen Besuchern an Bord nur eine
von vielen Erscheinungsformen, die versuchen neue Zusammenhänge, Erscheinungen und Änderungen
unserer Lebensbereiche zu beschreiben. Demnach handelt es sich bei einem UFO, soweit darunter
außerirdische Besucher verstanden werden, um ein Konstrukt, dem künstlerische Strategien attestiert
werden müssen.
Sind UFOs so erfolgreich, weil sie ein Symbol, eine Metapher weniger für die Expansionsbestrebungen
der Menschheit und der damit einhergehenden Ängste und Sehnsüchte oder religiöser Ersatz sind, als
vielmehr weil sie Symbole für die durch die neuen Medien stattfindenden Umstrukturierungen sind? Im
sogenannten Informationszeitalter, in dem Information leichter verfügbar und an Quantität zunimmt,
Information aber auch leichter herstellbar und weniger kontrollierbar wird, bietet das UFO mit
seiner umstrittenen Erscheinung und Materialität sowie seiner vielfältigen Adaption der Medien
ein passendes Modell für virtuelle Möglichkeiten.
Was ist nun unter "UFO - Strategien" zu verstehen? Es sind erstmal nicht die technologischen
Methoden gemeint, die ein UFO, sollte es sich auf unserem Planeten bewegen, befähigt so
außergewöhnlich schnell und zu fantastischen Flugmanövern fähig und doch unsichtbar für Radar
zu sein. Es interessieren hier eher die Methoden, die die UFOs weiterhin virulent in den Medien
halten. Neben den Verschwörungstheorien (alle Regierungen, die USA besonders, verschweigen ihre
Forschungen und ihre Zusammenarbeit mit außerirdischen Besuchern, um eine allgemeine Massenpanik
zu vermeiden) ist der deutlich religiöse Charakter im Umfeld von UFO-Begegnungen und Entführungen
durch UFOs auffallend. Dazu ist der Glauben an die aus fernen Galaxien kommende Autorität, die die
Menschheit vor der Selbstzerstörung rettet ebenso zu zählen, wie diverse Sekten, die
Massenselbstmorde und Massenmorde inszenieren, um rechtzeitig mit den Heilsbringern in bessere
Welten mitreisen zu können. Auch ökonomische Gründen spielen eine erhebliche Rolle. Printmedien,
Fan-Artikel etc. sind ein lukrativer Geschäftszweig.
All diesen UFO-Erscheinungen ist gemeinsam, daß sie eine Aura des Ungewissen transportieren. Bei
näherer Untersuchung entpuppt sich diese Ungewißheit als eine Strategie. Eine Strategie, die
nicht nur eine Lücke zwischen einem "realen" Ereignis und deren Information aufmacht, sondern diesen
Raum strategisch besetzt und offen hält. Hier entstehen Gerüchte und futuristische Theorien. Hier
ist Platz für Glauben an Unwahrscheinliches und Mögliches. Hier werden Utopien angesiedelt und
erprobt. Auch die hier ansetzenden Fragen und Zweifel zeigen nicht notwendigerweise eine
Schwachstelle auf, sondern sind intendiert.
Anmerkungern:
1. Vorwort zu "UFO - Strategien", Helene von Oldenburg (Hg.) - Oldenburg: Isensee Verlag, 2000
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